Texte

Das Erleben der Skulptur

Was ich vor mir sehe, ist nicht nützlich. Es ist nicht Teil des Alltags. Es lässt mir frei, mich ihm zu nähern, es fordert nichts, es "bedeutet" nichts, es ist einfach da. Wie selbstgenügsam schweigend, in sich geschlossen, mit seiner eigenen Dynamik, die mich nicht braucht und nichts. Auf dem Weg zur Vollkommenheit manchmal, trotz sichtbarer Makel. Nie ankommend und dennoch ganz und gar existent: als Dasein und Sein erlebbar. In glücklichen Momenten zeigt es mir mein eigenes Sein.


Der Entstehungsprozess

Eine nicht benennbare Idee – eine Linie, eine einmal ertastete Struktur, ein Bildfragment – verdichtet sich mit der Zeit zu einer möglichen Form, vage, oft noch unklar, bis das Material dazukommt und präzisiert.

Manchmal ist alles schon da, im Material zu sehen, und muss nur noch herausgearbeitet werden. Das Material selbst zeigt mir die Form, ich folge in harter Arbeit.

Das Material Holz ist in diesem Gestaltungsprozess wie ein Partner; das Konzept ändert sich im Lauf der Arbeit, manchmal erheblich, mit seinen Vorstellungen. Im Arbeiten entwickelt sich das Konzept weiter. Ganz neue Ideen können sich dabei entwickeln, die die Skulptur schließlich erst zu dem machen, was dann so fasziniert.

Meist braucht der Gestaltungsprozess längere Zeit, das Konzept muss reifen, Einklang mit dem Holz gefunden werden. Bei diesem abtragenden Verfahren des Schnitzens ist jede Entscheidung endgültig – das Abtragen ist nicht mehr rückgängig zu machen. Bis zum Schluss besteht daher die Möglichkeit des Misslingens und bis zum Schluss wird wieder und wieder überprüft und überlegt, ob und wo noch ein halber Millimeter oder auch mehrere Zentimeter abgetragen werden müssen.

Die Lebendigkeit und Natürlichkeit des Holzes machen gleichzeitig den Reiz und das Ärgernis der Skulptur aus, da die Linien und das Material nie vollständig dem Ideal folgen... ein Astloch, eine andersfarbige Stelle, ein Riss im Holz. Sie machen schmerzhaft bewusst, dass die Vollkommenheit im Rahmen unserer nicht erreichbar ist. Aber ebenso ist das Kunstwerk lebendiger Hinweis auf die Vollkommenheit, von der wir träumen – auf das Sein selbst, unser Sein, an dessen Rand wir uns suchend, nach ihm tastend bewegen.